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Von: Simon Oberli, Fotograf
   
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23.06.2020: Gamchigletscher: Wie weiter?

Seit 2010 besuchten wir den Gamchigletscher mindestens einmal pro Jahr. 2010 haben wir trotz Kenntnis der fortschreitenden Klimaerwärmung nicht damit gerechnet, dass der Gamchigletscher bis 2020 so viel Eis verlieren wird. In der vorliegenden Story versuchen wir zu skizzieren, wie sich die Situation am Gamchigletscher in den kommenden Jahren entwickeln könnte.
Auf untenstehendem Foto ist zu sehen, wie sich der Gamchigletscher seit 2011 verändert hat:
Veränderungen am Gamchigletscher in den Jahren 2011 bis 2020.
Veränderungen am Gamchigletscher in den Jahren 2011 bis 2020.
Legende:
Die gelbe Punkte zeigen die Umrisse des Gletschers im Juni 2011.
Die orangen Punkte zeigen die Umrisse der Zonen, welche im Juni 2020 noch Gletschereis enthielten.
Bald eisfreie Zonen
1) Unter dem auf dem Foto sichtbaren Schutt liegen die letzten Reste von Toteis. Dieses Toteis wird in 1-2 Jahren geschmolzen sein.
2) Unter dem auf dem Foto sichtbaren Schutt liegt Gletschereis, welches noch 10-20m (Schätzung) dick ist. Dieses Eis hat in den letzten Jahren stetig an Dicke eingebüsst. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen.
3) Der obere Teil des Gletschers dürfte 2020 oder 2021 den Kontakt zum unteren Teil des Gletschers verlieren. Der Eisnachschub im unteren Teil des Gletschers wird dann weiter reduziert.
4) Für uns schwierig zu beurteilen ist, wieviel Eis dieser Rücken noch enthält. Der obere Teil des Rückens hat sich in den letzten Jahren kaum verändert.
Nachschub mit Eis und Schnee
5) Aus der Nordwand des Morgenhorns wird auch in Zukunft Schnee abrutschen und sich auf den mächtigen Kegeln und auf dem oberen Teil des Gletschers ablagern.
6) Vom Gletscher unterhalb, nordöstlich vom Gipfel des Morgenhorns, wird auch in Zukunft Eis abbrechen und den Bereich um 10) mit Nachschub versorgen.
7) Ein Teil des Morgenhorngletschers zweigt beim Blüemlisalpsattel ab und bricht Richtung Gamchigletscher ab. Auch von diesem Seitenarm des Morgenhorngletschers wird weiterhin Eis abbrechen und sich im Bereich um 10) ablagern.
Was vorerst bleiben wird
8) Der obere Teil des Gamchigletschers dürfte sich dank dem abgerutschen Schnee aus der Ostwand des Vorbaus des Morgenhorns noch eine Weile halten können.
9) Die beiden mächtigen Kegel aus Schnee und Eis dürften sich auch noch länger halten können.
10) In dieser Zone dürfte sich das Gletschereis auch noch längere Zeit halten können.
Auswirkungen
A) In den kommenden 5 - 10 Jahren werden vom einst stolzen Gamchigletscher nur noch die drei oben beschriebenen Zonen mit Eis übrig bleiben.
B) Durch das Abschmelzen des Eises geht die Speicherfunktion eben dieses Eises verloren. Sobald alles Toteis (Zonen 1 und 2) geschmolzen ist, wird sich die Abflussmenge des Wassers verkleinern und die Verteilung der Abflussmengen wird sich saisonal ändern.
C) Schwer abschätzbar sind die Folgen, welche der fehlende Gegendruck des Gletschereises sowie der schwindende Permafrost auf die umliegenden Felswände haben wird.
D) Teile des Gletschervorfeldes werden bereits heute von Pionierpflanzen besiedelt. Im nördlichsten Teil wachsen erste, bis ca. 0.5m hohe Büsche und 1-2 Singvögel halten sich in diesem Gebiet auf. Das Gletschervorfeld wird in den kommenden Jahrzehnten weiter begrünt.
Die Veränderungen am Gamchigletscher dürften exemplarisch für zahlreiche kleine und mittlelgrosse Gletscher in den Alpen und weltweit sein.
Siehe auch Vergleichsfoto von Standort 6
Publiziert / Aktualisiert: 29.06.2020 / 16.06.2022
Autor: Simon Oberli
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